(Auf)Wind säen

Was Bundestrainer Sturm sät, soll Eishockey-Deutschland in Zukunft ernten: eine eisige Nation! Doch noch ist es – sportlich wie strukturell – nicht so weit. Im Schatten der Olympischen Spiele hat der 39-Jährige ein Auge auf dem bevorstehenden Turnier … und das andere auf der Zukunft seines Sports.


Wir leben im Zeitalter von Netflix und Co., in dem es immer schwieriger wird, die Aufmerksamkeit der Leute, vor allem der jungen Leute, zu gewinnen. Wenn wir also die breite sportinteressierte Masse vom Eishockey überzeugen wollen, dann brauchen wir als erstes die sportlichen Ergebnisse dazu. Diese haben in den letzten Jahren erfreulicherweise gestimmt und haben mit Highlights wie der Heim-WM in diesem Jahr einen gewissen Eishockey-Boom in Deutschland ausgelöst. Speziell vor diesem Hintergrund sind die anstehenden Olympischen Spiele etwas ganz Besonderes. Das war für mich als Spieler schon so und das ist es auch heute als Trainer!

Eine Olympiade zu spielen schafft nicht jeder. Deswegen ist die Auswahl der Spieler für den Kader besonders intensiv, da ich weiß, dass jeder unbedingt dabei sein will. Eine WM hat man jedes Jahr, Olympia nur jedes Vierte. In unserem Fall ist es leider so, dass wir die letzte Olympiade verpasst haben und das war schmerzhaft – nicht nur für die Spieler, sondern auch für den Verband. Deswegen war unser größtes Ziel die Olympiaqualifikation in Riga, die wir letztes Jahr geschafft haben. Das war für das deutsche Eishockey fast schon ein Muss. Es gibt also unzählige Gründe, warum Olympia für uns so wichtig war.

Wir gehen dabei mit der Einstellung in das Turnier, jedes Spiel gewinnen zu wollen – und das wissen auch meine Jungs! Sind Schweden und Finnland die Favoriten in unserer Gruppe? Gar keine Frage! Sie sind die besseren Mannschaften, auch ohne die NHL-Spieler. Aber wir haben tolle Spieler in unserer Mannschaft, die für ihr Land wirklich alles geben. Und wir werden, wie auch in den letzten Turnieren, topmotiviert sein und versuchen, für die eine oder andere Überraschung zu sorgen. Wie unser Logo schon sagt, wir sind eine Mannschaft. So war es auch immer mein Ziel, dass wir eine Mannschaft bilden, die zusammenkommt und in der einer für alle kämpft. Wir haben in Deutschland leider nicht so viele Superstars. Daher müssen und können wir nur mit einer Mannschaftsleistung Erfolg haben, so wie man es in den letzten Turnieren sehen konnte.

In unserer momentanen sportlichen Situation wollen wir also den aktuellen Schwung mitnehmen und das geht vor allem über die Medien. Das heißt, dass Eishockey noch mehr in die Öffentlichkeit und vor allem in die positive Öffentlichkeit kommen muss. In der Vergangenheit war die Berichterstattung im Allgemeinen zu wenig und im Speziellen stellenweise zu negativ. Aber in den letzten Jahren haben wir einen kleinen Schritt nach vorne gemacht. Wir waren präsenter. Wir haben mit Sport1 einen wertvollen Partner, mit dem wir tolle Erfolge gefeiert haben. Das wollen wir natürlich ausbauen. Der Fernsehvertrag ist einer der wichtigsten Bausteine innerhalb des Plans, Eishockey langfristig wachsen zu lassen. Die Liga hat darüber hinaus mit TelekomSport einen weiteren großen Partner gefunden, dessen Reichweite sich auch schon in diesem Jahr bemerkbar macht. In diesem so wichtigen Bereich, den Medien, muss – und wird! – mehr kommen.

Wir werden dabei auch intern neue und kreative Wege gehen. Wir werden zum Beispiel in Zukunft verstärkt mit Kameras live in den Kabinen dabei sein. Wir nehmen den Zuschauer also mit zur Mannschaft und bringen ihn nah an die Spieler heran. So bekommt auch der allgemeine Sportinteressierte, der vielleicht noch kein Eishockey-Fan ist, einen Einblick in den Alltag und auch in die Wettkampfsituationen eines Eishockeyspielers. Diese Maßnahme steht dabei exemplarisch für die unterschiedlichen Wege, die wir gehen wollen, um Eishockey und seine Übertragungsformen dem modernen Medienkonsumverhalten anzupassen.

In Deutschland ist der Fußball nun einmal die absolute Nummer eins. Daran gibt es nichts zu rütteln. Aber wer sich dahinter etablieren will, der braucht natürlich das entsprechende Geld dazu. Unser Ziel ist es, die Nummer zwei in Deutschland zu werden. Daher gilt es, noch den einen oder anderen Sponsor, wie auch noch den einen oder anderen zusätzlichen Fan von unserem Sport zu überzeugen. Wir brauchen die Leute! Wir brauchen Sponsoren. Wir brauchen Gelder. Wir brauchen die Fans.

Am Ende des Tages ist auch Eishockey, wie jeder andere Sportart auch, ein Geschäft und am Ende des Tages geht es natürlich auch bei uns immer auch um das Finanzielle. In der Vergangenheit haben uns stellenweise vorhandene finanzielle Altlasten die Arbeit immer wieder erschwert. Aber heute steht der Verband gesund da und alles ist im Plus. Die Einnahmen aus der WM in Köln können also in die Förderung investiert werden, anstatt in den Schuldenausgleich. Das ist ein wahnsinnig wichtiger Faktor für uns. Durch das solide Wirtschaften kann der Verband die Einnahmen viel besser nutzen. Das sind schon einmal kleine Ansätze für ein langfristiges Wachstum.

Auf der sportlichen Seite, die bei aller Aufmerksamkeit auf die Medien und Reichweiten niemals vergessen werden darf, geht es vor allem darum, im Jugendbereich noch gewissenhafter daran zu arbeiten, das langfristige Wachstum unserer Sportart zu sichern. Wir haben dafür mit dem 5-Sterne-Programm einen guten ersten Schritt getan. Wir müssen einfach von unten herauf die Kinder mehr für unseren Sport begeistern und besser ausbilden. Dazu müssen wir natürlich auch die entsprechenden Trainer ausbilden, um die notwendige Unterstützung gewährleisten zu können. Nur so können wir auch langfristig für eine erfolgreiche Nationalmannschaft sorgen.

Wir haben in Deutschland aktuell einfach nicht die Breite an Spielern, wie sie andere Nationen haben. Wenn man also weniger Spieler hat und diese in den Vereinen auch nicht so zum Zuge kommen, wie es vielleicht wünschenswert wäre, dann wird es natürlich schwierig. Dann wird es nämlich nicht nur für die Nationalmannschaft eng, sondern auch für das deutsche Eishockey. Die aktuelle Regelung in der Liga ist für den Moment okay, allerdings nicht zufriedenstellend für die Zukunft. Ich bin daher der Meinung, dass langfristig eine Quotenregelung für deutsche Spieler von Vorteil sein wird. Um solche Änderungen vornehmen zu können, muss natürlich im Nachwuchs- und im Juniorenbereich von 16-23 Jahren eine Lösung gefunden werden, um die Spieler, die man hat, besser zu unterstützen und zu fördern, sowie ihnen mehr Eiszeit zu geben. Nur so können diese Spieler dann im Seniorenbereich größere Stützen für die Vereine sein. Nur so wird es schlussendlich möglich sein, die Spielanteile von deutschen Profis zu erhöhen. Unser Problem liegt darin, dass die Förderung im Jugendbereich einfach noch nicht ausreicht, sowohl auf Vereins- als auch auf Ligaebene. Darauf muss in Zukunft unser Augenmerk liegen.

Fotos
Header: City-Press, Artikel: Sport-in-Augsburg.de / Franzisi

Marco Sturm
Nach insgesamt 14 Saisons in der NHL beendete Sturm 2013 seine aktive Karriere und ist seit Juli 2015 Trainer und General Manager der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Unter seiner Leitung erreichte das Team das Viertelfinale bei der Heim-WM in Köln und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele 2018.