THORSTEN LEIBENATH
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BASKETBALL - TRAINER
Serie hin, ungeschlagene Hinrunde her. Der Streak ist für mich nicht mehr relevant. Für uns geht es darum, uns als Mannschaft weiterzuentwickeln. Die anderen Teams bleiben ja auch nicht stehen. Für uns gibt es in der Rückrunde keine leichten Spiele mehr!
Ich erwähne die Serie eigentlich immer nur sehr kurz. Vor dem Göttingen-Spiel war es am ehesten noch ein Thema, weil es da darum ging, die Hinrunde ohne Niederlage abschließen zu können. Das war schon eine tolle Sache. Es ist schon ein Bisschen her, dass das ein Team geschafft hat. Und es sieht einfach gut aus, eine komplette Hinrunde ohne Niederlage abzuschließen. Das haben wir uns auf die Fahne geschrieben, das wollten wir erreichen. Daher wurde es auch zumindest kurz in der Kabine thematisiert. Aber ich glaube nicht, dass es weiterhin ein großes Thema sein wird, denn wir sind auch realistisch genug und rechnen nicht damit, dass uns auch eine solche Rückrunde gelingen wird. Das ist einfach unrealistisch. Genauso unrealistisch wäre es zu denken, dass wir nächstes Jahr noch einmal so eine Hinrunde spielen werden. Das passiert einfach nur einmal alle Jubeljahre und es passiert auch nicht jedes Mal in Ulm. Daher ist die Serie jetzt auch erst einmal kein Thema mehr.
Doch ganz praktisch betrachtet bringt der Streak einem schon ein Bisschen was. Du merkst, dass wir insgesamt etwas gelassener sind. Vor allen Dingen dann, wenn es mal nicht ganz so gut im Spiel läuft, wenn wir ein, zwei Fehler machen oder ein zwei Mal nicht treffen. Dann entsteht nicht gleich so viel Druck und wir denken „Oh Gott, Oh Gott. Wenn wir die nächsten zwei jetzt auch noch daneben werfen, ist direkt das ganze Spiel verloren.“ Wir haben eine gewisse Gelassenheit entwickelt, weil wir das Wissen haben, dass wir diese Spiele bislang alle noch gewonnen haben – zumindest in der Bundesliga. Und die Gelassenheit hilft uns natürlich auch schneller wieder in die Spur zu kommen. Das ist schon etwas, was wir wirklich nutzen können und was wir aus dieser Serie ziehen können. Ansonsten ist es, finde ich, noch nicht so schrecklich wichtig, denn wir können uns noch nicht wirklich etwas dafür kaufen. Wir haben keine Top-Ausgangssituation für die Playoffs sicher. Wir sind noch nicht einmal in den Playoffs. Es wird uns dadurch auch nicht leichter gemacht, gegen Teams zu spielen. Die anderen Teams werden sich eher sagen „Wir werden das erste Team sein, dass die Ulmer schlagen wird!“. Und deswegen müssen wir schon auf der Hut sein. Aber was ich dieses Jahr bei der Mannschaft feststelle ist, dass sie jetzt nicht irgendwie unkonzentriert ist, auch wenn der Gegner jetzt nicht Bayern München heißt. Sondern sie schafft es – und das ist eine besondere Qualität – jeden Gegner gleich ernst zu nehmen.
Kontinuität ist ungemein wichtig!
Die Tatsache, dass wir den Kern der Mannschaft vom letzten Jahr halten konnten, spielt eine große Rolle. Es ist die Kombination daraus, die richtigen Jungs gehalten zu haben und dann auch noch mit Tim, Karsten und Braydon drei wirklich klasse Verstärkungen hinzugewonnen zu haben. Ich glaube, das macht es aus! Alle, die wir aus der letzten Saison gehalten haben, wissen natürlich, dass in der Mannschaft Potenzial steckt – sonst wären wir letztes Jahr nicht ins Finale gekommen. Sie wissen aber genauso, dass es auch ganz schnell in die andere Richtung gehen kann, wenn man eben nicht konzentriert und fokussiert ist. Diese Erfahrung haben wir ja im letzten Jahr ebenfalls gemacht. Und dieses Wissen, zum einen um die eigene Stärke, zum anderen aber auch, dass es ein schmaler Grat ist und man nicht arrogant werden oder sich ausruhen darf, das hilft. Und dann die drei Neuen, die haben halt alle eingeschlagen. Karsten macht die ganzen Dinge, die auf harter Arbeit fundieren. Braydon ist ein Organisator vor dem Herrn und steckt damit eben auch seine Mitspieler an. Da laufen die Großen das Feld den einen Schritt schneller runter, alleine weil sie wissen, der Ball könnte kommen. Und Tim hat – so bitter es auch ist, dass er jetzt verletzt ist – vor seiner Verletzung eine noch stärkere Saison gespielt, als er das vor einem Jahr schon getan hat, wo er ja auch schon absolut eingeschlagen hat bei uns. Und diese Kombination ist ausschlaggebend dafür, dass wir bisher so erfolgreich sind.
In der Kabine ist die Serie, wie gesagt, kein großes Thema mehr. Wenn ich vor jedem Spiel die gleiche Ansprache halten würde, wäre ich auch schon sehr langweilig. Daher ist das nichts, was ich immer und immer wieder anspreche. Für mich ist es nicht erheblich, dass wir diesen Streak aufrecht erhalten. Für mich ist erheblich, dass wir weiterhin erfolgreichen Basketball spielen und uns als Team weiterentwickeln. Wir machen derzeit die richtigen Schritte, bewegen uns in die richtige Richtung. Und ich glaube, dass das auch weiterhin nötig sein wird. Es gibt einfach in dieser Liga keine einfachen Aufgaben.
Es gibt keine leichten Spiele!
Das ist auch so eine Erfahrung, die wir in der Hinrunde gemacht haben. Kurz nachdem wir Bamberg geschlagen hatten, war Braunschweig bei uns in der Halle und wir mussten uns unglaublich strecken. Das war der damalige Vorletzte und im Spiel davor war es eben der damalige Tabellenführer gewesen. Und die Partie gegen Braunschweig war letzten Endes einen Tick knapper als die Geschichte gegen Bamberg. Es ist einfach eine unglaublich ausgeglichene Liga und du musst an wirklich jedem Spieltag deine Leistung abrufen. Du musst dich auch als Mannschaft weiterentwickeln, denn die anderen bleiben auch nicht stehen.
Eine Sache, die immer öfter passiert ist, je länger die Serie wurde, war, dass viele Leute gesagt haben: „Göttingen. Ach gegen die werdet ihr schon gewinnen.“ Solche Aussagen kamen immer öfter. Das ist ja genau das, wogegen ich permanent ankämpfe. Besonders bei einigen Journalisten oder Fans kommt das immer wieder vor. Ich bekomme ja auch öfter Nachrichten, über Facebook zum Beispiel: „Tolle Leistung gegen München – und jetzt hauen wir Göttingen weg.“ Und dann unterhalte ich mich mit einem Kommentator von Telekom Basketball und der sagt auch: „Du musst ja jetzt sagen, dass das ein schweres Spiel wird. Aber mal ehrlich, die werdet ihr ja wohl weghauen.“ Und mit diesen Aussagen haben wir ständig zu kämpfen. Und die größte Gefahr ist natürlich, dass wenn man so etwas ständig hört, dass man irgendwann anfängt, daran zu glauben. Und da kämpfe ich permanent gegen an. Es heißt ja nun wirklich nicht, dass es keinen mehr gibt, gegen den wir verlieren könnten. Egal ob es in Bamberg oder zu Hause gegen Bayreuth oder Berlin ist. Das ist in meinen Augen überhaupt nichts Außergewöhnliches. Wir haben auch in der letzten Saison zu Hause gegen Bayreuth verloren. Das sind alles schwere Spiele. Jede Partie ist eine schwere Aufgabe. Göttingen war eine schwere Aufgabe. Jena war eine schwere Aufgabe. Da mag man mir auch gerne das klassische Understatement und das typische Trainer-Gelaber nachsagen. Das ist mir egal. Ich bin davon überzeugt, dass es keine leichten Spiele gibt. Und deshalb habe ich auch kein Problem damit, das so auszusprechen, wie ich es denke!
Photo credit: Martin Vogel | Alexander Fischer via ratiopharm ulm