MAODO LÔ / BASKETBALL

Nerds sitzen im Bus vorne

Absolventen elitärer Ivy League-Universitäten werden vielerorts eher mit dicken Brillengläsern und pastellfarbenen Pullovern um ihre Schultern assoziiert als mit sportlichen Höchstleistungen. Maodo Lô (Columbia University & Brose Bamberg) exklusiv über seinen kraftraubenden wie erfolgreichen Spagat zwischen Bücherstapeln und Basketballhalle.


Für mich stand direkt nach dem Abitur fest, dass ich auf jeden Fall nach Amerika gehen würde. Ich habe gemerkt, dass mein Basketballstil besser zum amerikanischen College-Stil passen würde als zum Europäischen. Gleichzeitig wollte ich auch eine Ausbildung bekommen, etwas lernen, und das kann man im amerikanischen Universitätssystem wunderbar miteinander kombinieren. Ich hatte nach meiner Zeit an der Prep-School einige Angebote von verschiedenen Colleges und habe mich am Ende für die Columbia entschieden, da die Ausbildung dort am besten war. Zudem wollte ich unbedingt spielen und habe an dieser Uni die besten Chancen gesehen, um mich weiterzuentwickeln.

Bevor die letztendliche Entscheidung gefallen ist, habe ich die Uni besucht und mich auf dem Campus umgesehen. Bereits da wurde mir klar, dass nicht nur basketballerisch sondern auch akademisch eine schwere Zeit auf mich zukommen würde. Dementsprechend habe ich mich aber auch darauf einstellen können. Aber dennoch war es im ersten Jahr schon sehr schwierig sich an die Doppelbelastung zu gewöhnen: Auf der einen Seite hohe akademische Ansprüche und auf der anderen das Division 1 Basketballprogramm, bei dem man unglaublich viel trainiert. Als ich, ungefähr ab meinem Sophomorejahr, erst einmal meinen Rhythmus gefunden hatte und gelernt hatte meinen Zeitplan entsprechend auszurichten, funktionierte das Zeitmanagement aber ganz gut.

Mangelware Schlaf

Schlaf war in meiner College-Zeit tatsächlich ein kostbares Gut und sicherlich am schwierigsten mit dem Rest in Einklang zu bekommen. In Zeiten, in denen Klausuren geschrieben wurden oder ich größere Aufgaben bearbeiten musste, passierte natürlich außer Basketballspielen, Essen und Uni nicht viel. Morgens zum Unterricht – jeden Tag um 13 Uhr zum Training – nach dem Training noch mehr Unterricht. Gegen 19 Uhr kam man zurück in sein Zimmer und hatte dann noch genug Aufgaben, um teilweise bis vier oder fünf Uhr nachts in der Bibliothek zu arbeiten. Und am nächsten Tag erwartete einen dann wieder genau der gleiche Rhythmus. Es gab also Phasen, in denen der Tagesinhalt wortwörtlich binär zu beschreiben war: es gab Basketball und es gab Uni. Aber auch daran hat man sich irgendwann gewöhnt. Natürlich hat man sich auch manchmal gefragt: „Warum tue ich mir das hier eigentlich alles an?“ Aber man lernt mit der Zeit einfach länger wachzubleiben und zu ackern. Das gehörte zur Kultur an der Uni dazu.

Ich war aber nichtsdestotrotz auch ein Schüler, der versucht hat, ein Freizeitleben zu haben. Ich habe beispielsweise unter der Woche versucht, weniger Aufgaben zu machen und diese auf den Sonntag geschoben. Das hat dann natürlich dazu geführt, dass ich an manchen Sonntagen von vormittags bis nach Mitternacht nur meine Hausaufgaben gemacht habe. Manchmal musste es einfach sein. Nach solchen Phasen kam New York City als Ablenkung dann sehr gelegen. Die Uni ist innerhalb Manhattans sehr zentral gelegen und wenn einem dann einmal alles zu viel wurde oder man schlicht keinen Bock mehr hatte, ist man in die U-Bahn gestiegen oder ein paar Blocks weit gelaufen und konnte wunderbar den Kopf freibekommen.

Die Endphase an der Uni war allerdings ziemlich tough. Die Klausurtermine standen fest und daran gab es nichts zu verhandeln oder zu verschieben. Das war für uns Student-Athletes schon stellenweise nervig. Ich musste versuchen, meine NBA-Workouts um die Klausuren herum zu planen – das hat mich bei den dafür notwendigen Reisen natürlich eingeschränkt. Aber ich habe mich ja bewusst dafür entschieden, die vollen vier Jahre an der Uni zu bleiben um meinen Abschluss zu bekommen, von daher waren die Klausuren natürlich auch sehr wichtig für mich. Insgesamt war es eine unglaublich hektische Zeit. Auch wenn ich den von der Schule vorgeschriebenen Notendurchschnitt, den man erfüllen muss um Basketball spielen zu dürfen, locker geschlagen habe, habe ich die Uni immer sehr ernst genommen und bin dafür teilweise sogar von meinen Mitspielern ausgelacht worden. Anstatt beispielsweise nur Zusammenfassungen zu lesen, habe ich mir wirklich die Bücher besorgt, sie komplett gelesen und mir Notizen gemacht. In unserem Team war ich tatsächlich so ein bisschen der Musterschüler. Dabei hat es natürlich geholfen, dass der Unterricht gut gemacht war und ich mich für die Themen begeistern konnte.

Alltagssituation: Doppelbelastung

Basketball war und ist für mich aber die Nummer eins! Ich liebe Basketball! Es ist meine Identität. Es ist ein elementarer Teil meines Lebens, der mich steuert und der mir Lebensfreude gibt! Auf der Uni habe ich basketballtechnisch richtig gehustled. Ich war immer in der Trainingshalle und habe auch entsprechende Leistung in den Spielen abgeliefert. Die Doppelbelastung war dabei die ganze Zeit über spürbar, aber ich hatte dadurch nie das Gefühl, dass mein Spiel unter der Arbeit für die Uni leidet. Gleichzeitig war mir bewusst, dass an keiner anderen Uni in den Staaten ein Basketball-Student so viel für die Uni tun musste wie wir. Die Basketballprogramme an anderen Ivi-League-Unis sind nicht auf dem Niveau der Columbia und größere Basketballunis haben keine so hohen akademischen Erwartungen. Somit ist es, glaube ich, ein ganz natürlicher Impuls ab und zu zu denken, dass es eventuell mehr Spaß machen würde, die Extra-Energie in Basketball zu stecken und nicht in die Uni. Aber ich habe an der Columbia eine sehr gute Entwicklung durchlebt und hatte nicht das Gefühl, dass mir das Akademische im Weg stand.

Auch ich kenne natürlich die Geschichten von anderen Unis, an denen die akademische Ausbildung eher vernachlässigt wird und Storys darüber, dass Basketballer und Footballer über Phantomkurse ihre guten Noten bekommen ohne anwesend zu sein (um so mehr Zeit für den Sport zu haben). Dass einige dieser Geschichten stimmen bezweifle ich auch nicht. Der erste Impuls dabei ist natürlich zu sagen, dass so etwas unfair ist. Aber ich bin davon überzeugt, dass die ganze Arbeit, die ich investiert habe, irgendwann zurückkommt und sich auszahlen wird. Wenn man hart für etwas arbeitet, etwas lernt und die Möglichkeit nutzt, an so einer Universität zu sein, bringt einem das sicherlich mehr, als wenn man einfach nur durchgemogelt wird. Basketball hört auch irgendwann auf und einen Grundstein für das Leben danach gelegt zu haben ist ein großer Vorteil. Dazu kommt, dass meine Mitspieler und ich an der Doppelbelastung gewachsen und erwachsener geworden sind. Wir haben Disziplin und Arbeitseifer gelernt. Das sind Charaktereigenschaften, die uns in der Zukunft noch nützlich sein können. Es gibt immer Schüler, die intelligenter und qualifizierter sind, aber am Ende des Tages ist es dieser Umgang mit Stresssituationen, der sehr gefragt ist. Eine Menge Jobs an der Wall Street gehen beispielsweise an Student-Athletes von der Columbia University, weil die Personaler dort erkannt haben, dass diese Absolventen mit krassen Stresssituationen umgehen können und auch mit wenig Schlaf über eine lange Zeit produktive Multitasker bleiben.

Meine jetzige Situation als professioneller Basketballer legt natürlich noch einmal eine Schüppe drauf. Hier in Bamberg sind die Ansprüche sehr hoch und auch der Trainer hat entsprechende Erwartungen. Aber der Prozess ähnelt meinem ersten Jahr an der Columbia. Nach einer Saison gewöhnt man sich immer mehr daran und man versteht, was einen erwartet. Das zweite Jahr ist für mich schon viel einfacher und ich komme besser zurecht. Daraus ziehe ich auch das Selbstbewusstsein mich durchzubeißen, wenn es tough wird und weiter zu machen.

Auch wenn Basketball meine Leidenschaft und das Wichtigste in meinem Leben ist, war die Zeit an der Columbia unglaublich wertvoll für mich, da ich vier Jahre lang „gezwungen wurde“ eine andere Richtung einzuschlagen und meinen Kopf auch mal mit anderen Dingen zu beschäftigen. Und so hart es stellenweise war, das Akademische war kein Hindernis für die wichtigste Tätigkeit in meinem Leben, sondern hat mich auf ein neues Level gehoben.

Maodo Lô
Bücher und Basketball prägten für vier harte wie lehrreiche Jahre den Alltag von Nationalspieler Maodo Lô an der Columbia University in New York. Auf Wortathleten.de erzählt der 24-Jährige über seine Erfahrungen als Student-Athlete einer Eliteuniversität.