Nach siebzehn Jahren – acht davon als Kapitän – im Trikot des DEB und einer sensationellen Silbermedaille in Pyeongchang gab Marcel Goc seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt und spricht hier exklusiv darüber, wie es zu seiner Entscheidung kam.
Es ist etwas Besonderes, als Sportler selbst über den Zeitpunkt zu entscheiden, wann man mit einer Sache aufhört – nicht, weil man von Verletzungen oder anderen äußeren Umständen dazu gezwungen wird, sondern weil mal selbst die Entscheidung dazu getroffen hat. Diese Möglichkeit hat zweifellos nicht jeder Athlet. Ich kenne unzählige Spieler, die aufgrund von Verletzungen aufhören oder den Verein wechseln mussten. Umso wertvoller ist es für mich, diese Entscheidung aus eigenen Stücken zu treffen und den Zeitpunkt selbst bestimmen zu können.
Die vergangene Saison war die dritte, die ich wieder in Deutschland und bei den Adlern gespielt habe und alle drei Spielzeiten sind nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Hauptgrund dafür waren zwei größere und eine Menge kleinerer Verletzungen, die mich dazu gezwungen haben länger zu pausieren. So etwas kommt natürlich nie zu einem guten Zeitpunkt, das lässt sich nun einmal nicht vermeiden. Aber dass es mich gleich zwei Jahre hintereinander mit langfristigen Verletzungen erwischt war natürlich extrem unglücklich. Das hatte ich nicht so eingeplant. Ich musste schlussendlich deutlich mehr Zeit in die Reha stecken als mir lieb war.
Der Sport im Allgemeinen ist jünger geworden, nicht nur das Eishockey. Es ist für mich wichtiger und teils auch zeitaufwändiger geworden, mich wieder richtig auf die neue DEL-Saison vorzubereiten. Ich habe mich gefragt, wo ich die notwendige Zeit für Regeneration und Rehabilitation herbekommen kann und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich, wenn ich in der Nationalmannschaft kürzertrete, die nötige Zeit gewinnen kann um mich um meinen Körper zu kümmern.
Darüber hinaus habe ich zwei kleine Kinder, die sich natürlich auch freuen, wenn ich in der Offseason etwas öfter daheim bin. Meine Frau und ich haben in letzter Zeit öfter abends zusammengesessen und über das Thema gesprochen und haben schlussendlich die Entscheidung getroffen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist um meine Nationalmannschaftskarriere zu beenden. Es war eine schöne Zeit und sicherlich nicht einfach, diesen Schritt zu gehen, aber ich glaube, dass die Entscheidung die Richtige für mich als Sportler und für mich als Vater ist.
Den Olympiahaufen zusammenhalten?
Es ist natürlich Wahnsinn, was wir zusammen als Mannschaft bei Olympia erreicht haben, aber konkrete Gespräche diesen Haufen (grinst) unbedingt genau so zusammenhalten zu müssen gab es eigentlich nicht. Wenn du Erfolg hast, macht ein solches Turnier natürlich immer mehr Spaß. Hätten wir jedes Spiel verloren, so hätten wir sicherlich nicht so viel zu lachen gehabt wie es in Pyeongchang der Fall war. Die Tatsache, dass mir das Turnier einen solch riesigen Spaß gemacht hat, hat mir die Entscheidung zurückzutreten auch zweifelsohne schwerer gemacht. Aber das Erreichte nimmt uns keiner mehr und ich mache gerne Platz für die nächste Generation.
Ich habe natürlich auch mit [Bundestrainer] Marco Sturm über das Thema gesprochen und er hat mir sein vollstes Verständnis entgegengebracht, denn er konnte sich noch gut an seinen eigenen Rücktritt damals erinnern. Natürlich hätte er sich gefreut, wenn ich weitergemacht hätte, aber er versteht meine Entscheidung und wir werden auch weiterhin in Kontakt bleiben. Darüber hinaus habe ich die Entscheidung aber im absolut engsten Kreis getroffen, da ich keine Diskussion über das Thema auslösen wollte.
Ich habe eine Menge schöner und außergewöhnlicher Erinnerungen mit der Nationalmannschaft, die dafürgesprochen haben weiterzuspielen. Ich durfte dreimal bei der Olympiade mitspielen, darunter einmal in Vancouver, wo Eishockey die unangefochtene Sportart Nummer 1 ist. Meine erste Weltmeisterschaft war darüber hinaus die Heim-WM 2001, ein Riesenerlebnis. Auch 2010 durfte ich noch einmal eine Heim-WM mitspielen und wir haben es ins Halbfinale geschafft. Seit dem Jahr ist mir auch das Amt des Kapitäns beim DEB anvertraut worden und ich habe diese Aufgabe immer mit Spaß und mit Stolz wahrgenommen. All das sind Momente und Erinnerungen, die ich sicher nicht vergessen werde. Ich denke gerne an die Turniere und die Erlebnisse mit der Nationalmannschaft zurück, aber ich bin mit der Entscheidung, die ich getroffen habe, zufrieden. Ich hadere nicht mit ihr, sondern konzentriere mich voll und ganz auf das nächste Kapitel.
Ganz oder gar nicht
Eine Sache stand für mich immer fest: Solange ich für die Nationalmannschaft spiele bin ich zu einhundert Prozent dabei. Ich habe mir gesagt, entweder ich mache es richtig und bin jedes Mal dabei, wenn es irgendwie geht, oder ich mache den Schritt, der früher oder später sowieso kommt, und mache Platz für jemand anderen. Patrick Reimer hat es im Anschluss an die Olympischen Spiele in diesem Jahr sehr gut formuliert, wie ich finde: „Dieser unverhoffte Erfolg war der krönende Abschluss.“ Mir geht es dabei ähnlich wie ihm. Es ist sehr schwer, als Sportler den richtigen Zeitpunkt für einen Rücktritt zu finden. Für mich war es aber jetzt an der Zeit diesen Schritt bei der Nationalmannschaft zu machen, da ich mich jetzt auf die Adler konzentrieren und für sie gutes Eishockey spielen will. In den letzten Wochen und Monaten war im Verein ja noch dazu einiges los. Der Trainerstab wurde gewechselt und es kommen für die neue Saison eine Menge neuer Spieler hinzu, sodass eine sorgfältige Saisonvorbereitung absolut essentiell sein wird.
Die Zusatzbelastung, die eine konstante Teilnahme an der Nationalmannschaft zweifelsohne mit sich bringt, war natürlich ein Thema – sowohl während meiner Zeit bei der Nationalmannschaft als auch jetzt bei meiner Entscheidungsfindung. Es beeinflusst die Zeit, die man für die Familie hat, und auch die Zeit, die man für die Regeneration des eigenen Körpers aufbringen kann. Aber ich habe immer gern für die Nationalmannschaft gespielt und wollte auch immer dabei sein, wenn es von körperlicher Seite her möglich war. Natürlich hätte ich auch in fittem Zustand das eine oder andere Turnier aussetzen können, das wollte ich aber nicht. Ich weiß auch nicht wie Marco Sturm das gesehen hätte. Aufgrund jeweils aktueller Verletzungen musste ich das eine oder andere Mal passen, aber vorsorglich abzusagen kam für mich nicht in Frage. Ich wollte entweder dabei sein – und dann auch richtig – oder die Entscheidung treffen, die ich jetzt getroffen habe.
Fotocredit: AS Sportfoto / Sörli Binder