Thaiboxer & Sachbearbeiter

Ich bin dreifacher Weltmeister und muss dennoch in Vollzeit arbeiten gehen. Natürlich ist das irgendwo paradox. (lacht) Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich natürlich auch voll auf meinen Sport konzentrieren. Aber ich brauche einfach ein sicheres Standbein und das ist eben mein Arbeitsplatz.

Ich habe mit 16 Jahren mit Kampfsport angefangen. Aufmerksam wurde ich darauf eigentlich durch Kampfsportfilme, Kultfilme der damaligen Zeit. Karate Tiger 3, der Kickboxer mit Van Damme. Nach acht Monaten wurde ich schon Rheinland-Pfalz-Meister. Dass es so gut läuft hätte ich am Anfang gar nicht gedacht. Dabei habe ich schnell gelernt, dass man – vor allem auch im Jungendbereich – eine Menge Disziplin braucht. Wenn in der U16 oder U 18 die anderen Jungs abends auf Partys gehen, dann musst du Stop sagen. ‚Ich kann nicht, ich habe morgen Training.‘ Dafür kommt der Erfolg dann später. Acht Jahre harten Trainings später, in meinem Falle.

Es war mein Ziel, deutscher Meister im Profibereich zu werden, und das ist mir im September 2008 auch gelungen. Im Dezember des selben Jahres hatte ich dann die Ehre als erster Deutscher beim King’s Cup, einem extrem prestigeträchtigen Turnier mit 20.000 Zuschauern zu Ehren des thailändischen Königs, teilzunehmen. Mittlerweile bin ich dreifacher Weltmeister in drei Verbänden und habe 83 Kämpfe bestritten [und davon 68 gewonnen, bei einem Unentschieden].

Sachbearbeiter bei Tag – Thaiboxer bei Nacht

In der Wettkampfvorbereitung trainiere ich sechs Mal in der Woche, habe also nur einen Tag Pause. Dazu bin ich zweifacher Familienvater, meine Tochter ist fünf und mein Sohn ist ein Jahr alt. Meine Frau geht aktuell auch noch nicht arbeiten, da sie sich noch um den Kleinen kümmern muss. Wenn er in den Kindergarten kommt, wird sie wieder halbtags arbeiten gehen. Sie hält mir den Rücken frei, kümmert sich um die Kinder und hilft mir zum Beispiel bei meiner Ernährung. Sie weiß genau, worauf ich achten muss – auch wenn ich ein bestimmtes Gewicht erreichen muss ohne, dass mir Energie verloren geht. Meine Frau kocht entsprechend für uns, da ich selbst gar nicht die Zeit dazu habe. Ich bin von morgens um sieben bis nachmittags um fünf auf der Arbeit [Berat arbeitet in Vollzeit als Sachbearbeiter bei einem großen Telekommunikationskonzern.], dann komme ich nach Hause und wir essen zu Abend. Dann verbringe ich noch zwei bis drei Stunden mit den Kindern und mit meiner Frau und um acht Uhr ist Training. Meistens trainiere ich bis 10 Uhr, manchmal etwas länger. Wenn ich um 11 Uhr wieder nach Hause komme schlafen eigentlich alle schon. Wenn meine Frau noch wach ist verbringen wir noch eine Stunde gemeinsam und das war’s. So ist mein Tagesablauf. Jeden Tag aufs Neue. Ohne einen Terminkalender bin ich aufgeschmissen. (lacht) Viele sagen ‚Du bist doch noch jung, 31 Jahre. Du kannst dir deine Termine doch merken.‘ Keine Chance.

Bisher habe ich alle meine Kämpfe selbst gemanaged. Ab 2017 arbeite ich dann mit einem Manager zusammen. In der Regel, wenn alles gut läuft, bestreite ich sechs Kämpfe pro Jahr. Ich habe aber auch schon in einem Monat zweimal gekämpft. Das war dieses Jahr sogar zweimal der Fall, einmal im Mai und einmal im September, jeweils im Abstand von nur drei Wochen. Wie gesagt, wenn ich Glück habe und die Knochen ganz sind, ich keine Verletzungen habe und nichts dergleichen dazwischen kommt dann ist die Regeneration nach zwei bis drei Wochen abgeschlossen. Ein paar Blessuren an den Schienenbeinen sind immer da.

Trainingslager dank Überstunden

Ich war dieses Jahr zweimal im Trainingslager in Holland, beide Male beim gleichen Trainer. Da baut man natürlich auch ein Vertrauensverhältnis auf. Ich versuche immer einen Tag, den Freitag, als Überstunden zu nehmen, sodass ich schon Donnerstagmittag, nach der Arbeit, zum Trainingslager fahren kann. Gott sei Dank habe ich ja Gleitzeit. Ich mache dann donnerstags einen Sechsstundentag und setze mich dann ins Auto. Die Fahrt nach Holland dauert ja auch immer vier Stunden lang. So habe ich donnerstags eine, Freitag und Samstag jeweils zwei und noch eine Trainingseinheit am Sonntagvormittag, bevor ich dann wieder zurückfahre. So habe ich in drei Tagen so viele Einheiten, wie normalerweise in einer ganzen Woche. Das Gute ist, dass ich das Trainingslager von meinen Sponsoren bezahlt bekomme. Trier ist leider keine Großstadt. Mit dem, was ich bisher erreicht habe und der Disziplin, die ich habe, hätte ich in einer größeren Stadt 100% mehr Sponsoren. Da wette ich mit dir.

Auch wenn ich Kämpfe habe, mache ich es ähnlich. Da muss ich ja auch meist einen Tag vorher anreisen, vor allem wenn die Kämpfe in einem anderen Land stattfinden. Im September habe ich zum Beispiel in Prag in der o2 Arena gekämpft. Da nehme ich mir dann auch den Freitag, den Tag des Kampfes, in der Arbeit frei und fahre Donnerstagabend in die Veranstaltungsstadt. Ich habe letztes Jahr zum Beispiel gegen zwei Holländer gekämpft, die zwar auch Familie haben, aber nicht arbeiten gehen müssen. Die leben davon. Die können also zweimal am Tag und damit doppelt so oft wie ich trainieren. Das ist ein Unterschied von 100%. Das ist schon krass. Man sieht aber, was man mit Willen und Disziplin schaffen kann. Vieles im Thaiboxen ist auch Kopfsache. Ich habe sie beide weggehauen.

Am meisten leidet die Familie

Ich mache das Ganze nicht ausschließlich für mich. In erster Linie hat es natürlich schon viel mit mir zu tun. Aber vielleicht kann ich, wenn meine aktive Karriere vorbei ist, eine Schule eröffnen und damit dann wiederum für meine Familie sorgen. Außerdem kommt ja bei den Kämpfen auch ein kleines Taschengeld rum und mein Sponsoren unterstützen mich auch.

Du musst natürlich entsprechende Opfer bringen. Und in meiner Situation ist das größte Opfer, das ich erbringe, natürlich die Zeit für meine Familie. Meine Frau muss da auch öfters mal ein Auge zudrücken und die Kinder genauso. Zeitmanagement wird daher bei mir extrem hoch angesehen, sonst verliere ich komplett den Überblick. Da übernimmt meine Frau eine Menge Verantwortung, dazu kommen die Kinder und der Haushalt. Das ist schon nicht einfach. Die langen Trainingszeiten, oftmals über drei oder vier Monate am Stück, sind auch für sie anstrengend. Wir versuchen es irgendwie, die Balance zu halten, auch wenn das eigentlich gar nicht möglich ist. Manchmal ist es schon heavy, aber dann musst du eben die Nerven behalten.

Ich war einmal von der Arbeit aus auf einem Zeit- und Gesundheitsmanagement Seminar. Da hatten die meisten dort schon Probleme ihren Beruf und ihr Privatleben miteinander zu vereinbaren. Was sollte ich denn da sagen? (grinst) Ich bin Leistungssportler und gehe sechsmal die Woche trainieren. Da haben sie alle gefragt ‚Wie geht das bei dir? Das kann doch gar nicht funktionieren.‘. Aber wenn man bereit ist gewisse Opfer zu bringen, dann geht es eben doch.

[Sollte jemand Interesse daran haben, den Familienvater und dreifachen Weltmeister zu unterstützen, so stellen die Wortathleten natürlich gerne den Kontakt her.]
Berat Aliu
Berat (31) kommt aus Trier und ist 3x Weltmeister im Thaiboxen. Er trägt eine Brille und in Alltagsklamotten sieht er aus wie ein Storch. Seine Worte, nicht unsere.